Hernien

Hernien werden allgemein auch als Brüche bezeichnet. Bei einem Bruch wölbt sich Bauchinhalt (z. B. Darmteile) durch eine Lücke in der Bauchdecke nach außen vor. Je nach Lokalisation unterscheidet man den Leistenbruch, Schenkelbruch, Nabelbruch und seltene andere Brüche. Entsteht ein Bruch im Bereich einer Narbe nach einer Operation spricht man vom Narbenbruch.


Der Leistenbruch (Inguinalhernie) ist die häufigste Bruchform und findet sich bei vier Prozent aller Menschen. Er tritt beim Mann häufiger auf als bei der Frau. Der Grund dafür ist entwicklungsgeschichtlich zu sehen. Beim Mann wandert der Hoden durch den Leistenkanal in den Hodensack. Dieser Verbindungsgang sollte sich komplett verschließen. Üblicherweise bleibt aber eine Schwachstelle zurück. Durch unkontrolliertes Heben schwerer Lasten kann es ebenfalls zur Entstehung eines Bruches kommen.


Schenkelbrüche (Femoralhernie) treten hingegen häufiger bei Frauen auf und führen in vielen Fällen zur Einklemmung. 30% aller Patienten mit einem Schenkelbruch kommen wegen einer Einklemmung in die Klinik.

Anatomische Vorbemerkung

Jeder Bruch besteht aus einer Bruchlücke (oder Bruchpforte), einem Bruchkanal und einem Bruchsack. Dieser wird vom Bauchfell gebildet und stülpt sich sozusagen aus dem Bauchraum aus. Durch Erhöhung des Druckes im Bauchraum (Pressen, Heben) kann sich die Bruchpforte erweitern und Eingeweide (z.B. Darm, Netz) können durchtreten. Lässt der Druck im Bauchraum nach, dann verkleinert sich die Bruchpforte wieder und der Inhalt klemmt ein.

Klinik

Oft können Patienten das Hervortreten einer Bruchgeschwulst (z.B. beim Pressen oder Heben) gut beschreiben. Schmerzen, eventuell Ziehen in der Leiste, eine sichtbare Bruchgeschwulst sind typische Zeichen. Klemmt ein Bruch ein, so führt dies zu heftigen Schmerzen, eventuell auch zum Erbrechen. Die Bruchgeschwulst ist fixiert und es befindet sich Darm im Bruchsack.

Diagnostik

Die Diagnose einer Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt. Beim stehenden Patienten wird der Leistenkanal oder die vermeintliche Bruchpforte getastet und man bittet den Patienten zu Husten. Nur in seltenen Fällen, wenn die klinische Untersuchung nicht eindeutig ist, kann man mit einer Ultraschall-untersuchung oder einer Computertomographie Gewissheit erlangen.
Bei Narbenbrüchen wird meist eine CT Untersuchung durchgeführt, um die Größe zwecks OP Planung besser bestimmen zu können.

Therapie Leistenbruch:

Ein Leistenbruch sollte operativ behandelt werden. Ziel ist es den Bruch zu reponieren, den Bruchsack zu entfernen und die Lücke dauerhaft zu verschließen. Hierfür stehen unterschiedliche OP Verfahren zur Verfügung:

 

Offene Nahttechnik (OP nach Shouldice): Hierbei wird über einen Hautschnitt in der entsprechenden Leiste die Bruchlücke mittels starker Fäden zusammengenäht. Diese Technik wird gerne bei einseitigen, noch nicht voroperierten und nicht allzu großen Brüchen angewendet.
Ein Vorteil dieser Technik ist die einfache und rasche Durchführbarkeit - auch in örtlicher Betäubung - und der Verzicht auf ein Kunststoffnetz.
Als Nachteil könnte die etwas stärkere Schmerzentwicklung nach der Operation und die etwas längere Rekonvaleszenz gesehen werden.

 

Offene Technik mit Netz (OP nach Lichtenstein): Statt des Zusammennähens der Bruchlücke wird ein Kunststoffnetz darüber genäht. Dadurch entsteht keine Spannung, was weniger Schmerzen zur Folge hat. Auch dieses Verfahren kann sowohl in Allgemeinnarkose als auch in rückenmarksnaher Anästhesie (Kreuzstich) oder in örtlicher Betäubung durchgeführt werden.

 

Laparoskopische Technik (TAPP): Über 3 kleine Hautstiche werden eine Kamera und 2 Arbeitsinstrumente in die Bauchhöhle eingebracht. Damit kann von innen der Bruch mittels eines Kunststoffnetzes verschlossen werden. Dieses Verfahren wird vor allem bei beidseitigen Brüchen oder bei Rezidivhernien (wideraufgetretener Bruch nach erfolgter Operation) angewendet. Durch das minimale Zugangstrauma sind die Patienten rasch voll belastbar und haben kaum Schmerzen.
Mögliche Nachteile sind die Verlagerung einer Operation von außerhalb des Bauches in den Bauchraum. Diese Operation wird zudem immer in Allgemeinnarkose durchgeführt.


Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bruch nach sorgfältig durchgeführter Operation wieder auftritt beträgt generell bei allen Verfahren zwischen 2 und 5%. Durch Einhaltung der körperlichen Schonung in den ersten Tagen nach der Operation kann diese Rate jedoch niedrig gehalten werden.
Durch die klinische Untersuchung und das gemeinsame Gespräch kann die für Sie sinnvollste und geeignetste Operationsmethode evaluiert werden.

Therapie Narbenbruch:

Nach Bauchoperationen kann es in bis zu 10% zum Auftreten eines Narbenbruches kommen.
Ziel der Operation ist es die Bruchlücke dauerhaft zu verschließen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

 

Laparoskopische Technik: Hierbei werden über mehrere 5-11mm große Hautschnitte am Rand des Bauches (weit entfernt vom eigentlichen Bruch) eine Kamera und Arbeitsinstrumente in den Bauch eingebracht. Die Bauchhöhle wird mit CO2 Gas gefüllt, so dass genügend Platz zum Operieren ist. Häufig findet man Verwachsungen als Folge der Voroperation(en), welche sorgsam gelöst werden müssen, bis die Bruchlücke und das umliegende Bauchdeckengewebe völlig frei zur Darstellung kommt. Nun wird ein Netz eingebracht, welches deutlich größer als die Bruchlücke ist, durch welche diese zur Gänze überlappt wird. Das Netz wird mittels spezieller kleiner Schrauben oder Nähte an der Bauchdecke fixiert.
Moderne Netze sind so beschaffen, dass die der Bauchdecke zugewandte Seite rau ist (damit diese Besser mit der Bauchdecke verwachsen kann). Die dem Darm zugewandte Seite ist beschichtet und glatt, damit keine zusätzlichen Verwachsungen entstehen.


Die Schwierigkeit bei dieser Operation ist meist das Lösen der Verwachsungen OHNE den Darm zu eröffnen oder zu beschädigen, was neben modernen Geräten eine entsprechende Erfahrung und Routine in der Laparoskopie voraussetzt.
Vorteile dieser Operation sind, dass der Bruch spannungsfrei verschlossen wird und vor allem die Atmung postoperativ nicht beeinträchtigt ist. Weiters ist das Trauma und die Wundfläche deutlich geringer als bei offenen Operationen.
Diese Methode erscheint sehr viel versprechend! Sie wird allerdings erst seit einigen Jahren angewendet. Die bisherigen Ergebnisse sind sehr gut, Langzeitergebnisse gibt es allerdings noch nicht.

 

Offene Technik mit Kunststoffnetz: Hierbei wird in der alten Narbe eingegangen. Der Schnitt ist also genauso groß wie bei der vorangegangenen Operation. Anschließend wird minderes Gewebe entfernt und gesundes Gewebe freipräpariert.
Auch hier wird das Netz die Bruchpforte weit überlappend eingenäht, wobei es verschiedene Techniken der Fixierung gibt (in der Bauchhöhle, zwischen Bauchfell und Muskel oder auf die Muskelfaszie). Die Entscheidung kann hier oft erst intraoperativ getroffen werden.

Offener Verschluss durch primäre Naht : Kleine Brüche können ohne Netz durch direkten Verschluss mittels Nahtmaterial versorgt werden.
Zu den Vorteilen zählt, dass kein Fremdkörper (Netz) eingenäht wird. Als nachteilig muss man die dabei entstehende Gewebespannung sehen. Diese kann in den ersten Tagen zu Schmerzen führen. Außerdem wird eine höhere Rezidivrate aufgrund der Spannung auf das Gewebe diskutiert. Große Brüche sollten so nicht mehr versorgt werden.


Narbenbrüche sind derzeit ein sehr aktuelles Thema in der Chirurgie. Durch die Etablierung der Laparoskopie und die damit verbundene Minimalisierung des Zugangstraumas für mittlerweile einen Großteil der bauchchirurgischen Eingriffe, darf man mit einer Reduzierung von postoperativen Hernien rechnen. Zudem verbessern sich ständig die Beschaffenheit der Netze und auch die Operationstechniken zur Versorgung von Narbenbrüchen.

 

Sollten Sie an einem Narbenbruch leiden, kann Ihnen Ihr Arzt nach einer entsprechenden Untersuchung erklären, welches Verfahren für Sie das derzeit geeignetste ist.